Öffnen Sie den Deckel eines Bambusdämpfers – sei es in den Hutongs von Peking oder vor einem Food Court in Flushing – und es zeigt sich stets dasselbe Schauspiel: ein sanftes Zischen, eine warme Weizenwolke und Reihen praller, glänzender Brötchen. Die Verkäufer wirbeln dazwischen, Deckel knallen, Zangen klirren.
Bao, auch Baozi genannt, gehört in China (und bei mir zu Hause) zu den meistgegessenen Speisen. An ihm begeistert alles: die wolkenweiche Teighülle ebenso wie das intensive Aroma einer Füllung, die nach zahllosen Experimenten perfektioniert wurde.
Hinter dem scheinbar simplen Trio aus Mehl, Wasser und Fleisch steckt eine so ausgereifte Kunst, dass Bäcker im Norden bis heute die Falten zählen, um die Eleganz eines Brötchens zu beurteilen. Und obwohl Cafés mittlerweile Aktivkohle-Crêpes und Trüffel-Pommes servieren, lodern in den Online-Foren immer noch hitzige Diskussionen darüber, was einen echten Baozi ausmacht. Denn hier geht es um weit mehr als ein schnelles Mittagessen: In einen perfekten Baozi zu beißen heißt, 1.800 Jahre chinesischer Kochkunst und Wohlfühlküche zu schmecken.

Von Mantou-Mythen bis zum kaiserlichen Bankett: 1.800 Jahre Geschichte
Der früheste Bericht über ein gefülltes Brötchen verbindet Strategie mit Opfergabe: Im IIIe Jahrhundert n. Chr. soll der Feldherr Zhuge Liang Fleisch in Teig gewickelt und die so geformten „Köpfe“ in einen reißenden Fluss geworfen haben, damit die Geister seine Truppen passieren ließen. Fakt oder Legende – die Geschichte legt eines nahe: Weizenteig kann nicht nur Füllung, sondern ebenso Bedeutung umschließen.
Zur Zeit der Song-Dynastie (960–1279) taucht der Begriff „Baozi“ in Marktregistern auf, flankiert von traumhaften Kombinationen: Mantou mit Lamm, Krabbenrogen oder sogar karamellisiertem Schweinefleisch. Die Hofköche im Chang’an der Tang gingen noch weiter und schmuggelten Bärenfett und Wildbret in eine Delikatesse namens yújiānmian; laut den Gastronomischen Annalen der Tang verlangte selbst das Brötchen am Kaiserhof nach Pracht.
Springen wir ans Ende der Qing-Zeit: 1858 eröffnet in der Hafen- und Eisenbahnstadt Tianjin Goubuli, das Haus, das den modernen nordchinesischen Stil prägt – halbgegährter Teig, besonders saftige Schweinefüllung und, der lokalen Tradition zufolge, exakt achtzehn Falten. Mit dem Siegeszug der Eisenbahn brachten fliegende Händler die Goubuli-Brötchen an Bahnhöfe im ganzen Norden. Über die Jahrhunderte hat der Baozi sich von ritueller Opfergabe zum Street-Snack gewandelt, doch jede Dampfwolke trägt noch den Duft von Legende und Herkunft.
Woran erkennt man echte Baozi?
Der Teig beginnt mit glutenreichem Weizenmehl, Wasser und einem Stück Sauerteig vom Vortag (ersatzweise Bäckerhefe). Er darf nur halb aufgehen, bevor ein Spritzer alkalisches Wasser die Säure mildert, das Glutennetz strafft und so für eine Krume sorgt, die zugleich luftig und elastisch ist. Der ideale Teig schimmert elfenbeinfarben wie eine rohe Cashewnuss – niemals reinweiß wie die kantonesischen char siu-Bao, die Stars des dim sum, die mit gebleichtem Mehl und oft etwas Backpulver zubereitet werden.
Das Falten ist reine Choreografie. Geübte Verkäufer führen die Teigscheibe in langsamen, spiralförmigen Kneifbewegungen zusammen, bis eine Krone aus – in Tianjin traditionell 18 – Falten das Brötchen versiegelt. Reißt die Naht später im Dampf, gilt das als sichtbarer Makel: Handwerk ist hier Teil des Geschmacks.
Im Inneren verhält sich die Füllung fast wie eine Flüssigkeit. Grob gehackte Schweineschulter (etwa 70 % mager, 30 % Fett) wird mit abgekühlter Bouillon verrührt, bis sie fast ein Fünftel ihres Eigengewichts aufnimmt und seidig glänzt. Sojasauce, Shaoxing-Wein, Ingwer und Frühlingszwiebel parfümieren die Masse; ein letzter Tropfen geröstetes Sesamöl rundet ab.
Das Gemüse – ob Kohl, Rettich oder im Winter Fenchelgrün – wird erst gesalzen und gründlich ausgedrückt, bevor es unter die Fleischmasse kommt. Ziel ist ein wässriger Kern, der beim Reinbeißen in saftige Brühe zerplatzt. Über Sauerteig oder Instanthefe mag man streiten; ein Gebot jedoch eint alle Puristen: dünne Hülle, üppige Füllung und Dampf statt Ofen.
Baozi-Varianten im Überblick
Steigen Sie morgens irgendwo in China in einen Zug, weitet sich die Definition von Baozi sofort. In Tianjin teilt sich das klassische Schweinebrötchen den Dämpfer mit „Drei-Delikatessen“-Versionen, die nach Garnele und Ei duften.
Shanghai bevorzugt für den xiaolongbao eine beinahe durchscheinende, kaum gegangene Hülle oder brät den Teig in der Pfanne, um beim shengjianbao einen knusprigen, mit Sesam übersäten Boden zu erhalten. Kantonesische Köche bleichen ihr Mehl, süßen den Teig leicht und lassen die Char-Siu-Sauce die Krume in rötliches Bronze tauchen; der Deckel springt dabei in drei charakteristischen Rissen auf.

Richtung Westen drücken uigurische Verkäufer ihre kao baozi mit Lammfüllung an die glühend heißen Wände eines Tandoors. Jenseits des Südchinesischen Meeres duften malaysische pau nach einem mit Kurkuma gewürzten Curry aus Kartoffeln, während philippinische siopao zartes poulet adobo in Sojasauce schmoren lassen.

Nach Ansicht der kulinarischen Ethnologin Yan X. Li (Universität Nanjing) und mehrerer in der Zeitschrift Food Heritage veröffentlichter Studien hört ein Gericht in dem Moment auf, Baozi zu sein, sobald Weizenteig nicht mehr gedämpft wird. Vielfalt verwässert die Identität also nicht – sie beweist vielmehr, dass sich eine einzige Idee anpassen kann, ohne ihre fluffige Seele zu verlieren.
Tipps für die perfekte Bao-Zubereitung
Die Mengenangaben für den Teig müssen exakt eingehalten werden! Je nach Mehlsorte kann die Wassermenge jedoch variieren – hier hilft nur Erfahrung, um das richtige Gefühl zu entwickeln.
Klebt der Teig, bestäuben Sie Arbeitsfläche und Hände großzügig mit Maisstärke – das wirkt Wunder!
Ja, dieses Rezept braucht Zeit, doch genau das steigert die Freude am ersten Bissen. Himmlisch!
Für meine chinesischen Ravioli verwende ich übrigens eine ganz ähnliche Füllung.

Zutaten
TEIG
- 250 g Weizenmehl
- 5 g Salz
- 8 g Zucker
- 4 g Instanthefe
- 3 g Backpulver
- 130 g Wasser
FÜLLUNG
- 140 g Chinakohl
- 2 junge Frühlingszwiebeln
- 400 g Schweinehack
- 3 Esslöffel helle Sojasauce
- 1 Teelöffel Sesamöl
- 1 Teelöffel Shaoxing-Reiswein
- 0.5 Teelöffel frisch, fein gehackter Ingwer
- 1 Teelöffel Salz
- 2 Ei
- 1 Esslöffel Maisstärke
- 3 Esslöffel Wasser oder Schweine- bzw. Hühnerbrühe
Anleitungen
FÜLLUNG – ZUBEREITUNG
- Chinakohl 5 Minuten in kochendem Wasser blanchieren, anschließend abkühlen lassen.
- In der Zwischenzeit alle Zutaten außer dem Schweinefleisch fein hacken und gründlich vermischen.
- Den Kohl anschließend fein hacken, kräftig ausdrücken, um überschüssige Flüssigkeit zu entfernen, und zur Mischung geben.
- Schweinehack hinzufügen und mit einem Löffel etwa 5 Minuten kräftig – stets in derselben Richtung – verrühren. Die Füllung danach mindestens 1 Stunde kalt stellen.
TEIG – ZUBEREITUNG
- Alle Teigzutaten vermengen, 10 Minuten kneten und den Teig anschließend ca. 1 Stunde gehen lassen, bis er sein Volumen verdoppelt hat.
- Den Teig in 4 gleich große Portionen teilen, zu Kugeln formen, mit dem Nudelholz flach ausrollen und mit der Füllung zu Baozi verschließen.
- Die Baozi 15 Minuten über sprudelndem Wasser dämpfen.