Eiskalte koreanische Nudeln in einer süß-salzigen Chilipaste – erfrischend und pikant zugleich.
Der erste Bissen ist ein kleiner Schock: eisgekühlte asiatische Nudeln, umhüllt von einer tiefroten, glänzenden Sauce. Erst schmeckt sie mild auf der Zungenspitze, dann setzt die fermentierte Chili-Schärfe nach – und schon perlt selbst an einem schwülen Nachmittag in Seoul der Schweiß.
Feinschmecker quetschen sich in enge Gassenstände, nur um den Kontrast aus eiskalten Nudeln und feuriger Sauce auszukosten; Bibim Guksu fängt den koreanischen Sommer ein wie kaum ein anderes Gericht, auch wenn es ursprünglich als edles Wintersonnenwende-Gericht erdacht wurde.
Im Kern des Rezepts steht das Prinzip des „harmonischen Vermischens“ – eine Idee, die die einstige Bankett-Spezialität der Joseon-Dynastie in die Alltagsküchen moderner Koreaner gebracht hat.
Vom Goldongmyeon zum populärsten Street-Food-Klassiker
Goldongmyeon, der Vorläufer des heutigen Bibim Guksu, taucht erstmals im saisonalen Almanach des 19. Jahrhunderts, Dongguk Sesigi, auf. Die aristokratische Variante umhüllte Buchweizennudeln mit einer Soja-Sesam-Sauce, Birnen- und Kastanienstreifen, gebratenem Rindfleisch sowie Konfetti aus hauchdünnem Eiercrêpe.
Diese raffinierte Komposition wurde bei Banketten zur Wintersonnenwende serviert, begleitet von eiskalter dongchimi-Brühe, die den Gaumen neutralisierte. Chili setzte nur feine Akzente, und die Fülle an Beilagen spiegelte den Rang des Gastgebers wider.
Nach dem Koreakrieg gelangten mit amerikanischen Hilfslieferungen tonnenweise Weizenmehl auf die Halbinsel. Köche griffen fortan zu zarten, blitzschnell garenden somyeon. Der preiswerte, lange haltbare und perfekt scharfe gochujang verdrängte die Sojasauce als Hauptwürze.
Bereits 1968 schenkte die unscheinbare Imbissbude Manghyang Bibim Guksu nahe einer Militärbasis hungrigen Rekruten feurige Schalen ein; ihr Erfolg machte Bibim Guksu zum preiswerten Straßenklassiker. Das Gericht löste sich zudem vom winterlichen Ritual und wurde zur Sommerikone – das eiskalte Abschrecken erwies sich unter der Monsunfeuchte als unschätzbar.
Die unverzichtbaren Zutaten für Bibim Guksu
Fragt man zehn koreanische Köchinnen nach dem „richtigen“ Bibim Guksu, entbrennen Debatten über die Toppings; bei den Grundlagen herrscht jedoch Einigkeit.
Die Nudeln müssen haarfein sein und so lange gewässert werden, bis sie kerzengerade und eiskalt sind – jede Spur Restwärme gilt als Ketzerei.
Für die Sauce liefern Gochujang (oder die Sojasauce alten Stils) Tiefe, Essig Frische, Zucker Rundung, und duftendes Sesamöl verbindet alles. Ein knackiger Gegenspieler – oft Gurkenstifte – und ein halbiertes hartgekochtes Ei bringen Textur und bieten der Schärfe eine weiche Landefläche.
Erst kurz vor dem Servieren rieseln geröstete Sesamsamen wie Schnee über die Schüssel und vollenden das Gericht. Fehlt der Essig, wirkt die Sauce flach; lässt man das Sesamöl weg, erscheint sie hohl. Und wer Sriracha oder Erdnussbutter ins Spiel bringt, erntet ein höfliches Lächeln – gefolgt vom Hinweis, dass es sich dann um ein anderes Gericht handelt.
Zwei legitime Saucen – unzählige persönliche Akzente
Die Internet-Lieblingsvariante strahlt in leuchtendem Rot: Gochujang, mit Essig gelockert, dezent gesüßt und bisweilen durch einen Löffel Kimchi-Lake aufgeladen. Dennoch verteidigt eine leise Minderheit das ganjang Bibim Guksu – die alte Soja-Sesam-Version aus den Kochbüchern des späten Joseon –, deren seidiger Glanz an die Hofküche erinnert und zarte Gaumen vor der Chilihitze schont. Beide erheben Anspruch auf Authentizität; ihre Berechtigung liegt nicht in der Farbe, sondern in der Balance.
Bei den Toppings ist das Feld offen, ohne die Wurzeln zu verleugnen. Dosenthunfisch bringt mühelos Umami, gegrillter Schweinebauch macht die Schüssel zur Mitternachtsmahlzeit, und feinst geschnittene Perillablätter steuern mentholige Frische bei – alles so geläufig, dass kaum ein Koreaner eine Augenbraue hebt.
So wird Bibim Guksu serviert
Die Choreografie ist schnell, aber simpel: Die Nudeln baden kurz in sprudelndem Wasser, dann geht’s sofort in Eiswasser, um den Biss zu fixieren. Anschließend werden sie umgehend mit der Sauce vermengt, damit jeder Strang glänzt. Die Toppings thronen obenauf – niemals vergraben – und laden den Gast zum Unterrühren ein.
In Hamhung werden rutschige Kartoffelstärke-Nudeln, lokal hoe-naengmyeon genannt, mit rohem Rochen belegt, dessen Salzigkeit die brennende Chilihitze zügelt. Der jaengban-Stil Seouls kommt auf einer gemeinsamen Platte daher, wobei lange Metallzangen Essstäbchen als bevorzugtes Mischwerkzeug ablösen. Ganz gleich, wo man isst – die Begleitung ist entscheidend: Ein kleines Glas eiskaltes dongchimi oder ein Schluck klarer, heiß servierter Brühe wie wanja-tang kühlt beziehungsweise wärmt den Gaumen im simplen Heiß-kalt-Wechselspiel.
Kulturelle Symbolik von Bibim Guksu
Im Koreanischen bedeutet das Verb bibim „mischen“ – eine kulinarische Philosophie, die Harmonie statt Uniformität betont. Bibim Guksu, ebenso wie sein Reisverwandter bibimbap, erhebt dieses Verb zur Metapher: Unterschiedliche Zutaten, am Tisch gleichgestellt, finden erst durchs gemeinsame Rühren ihre Ordnung.
Für viele junge Menschen außerhalb Koreas ist Bibim Guksu oft das erste Tor zu fermentierten Aromen. Zahlreiche koreanische Restaurants weltweit führen es als Sommer-Aushängeschild, und manche koreanische Lebensmittelläden verkaufen vereinfachte Heim-Kits – sehr zum Leidwesen von Puristen, die weiterhin über den schlappen Biss der Nudeln klagen.
Ob im höfischen Silberschälchen oder im Plastik-Lieferbecher – das Gericht lebt von diesem ersten Moment: Die Kälte packt, das Chili wärmt, Süße trifft auf Knackigkeit, und Sesamöl verwebt alles zu einem Ganzen.
Authentisches Bibim-guksu
Zutaten
Nudeln und Toppings
- 200 g Somyeon-Nudeln
- 1 Ei hartgekocht
- Gurke in feinen Julienne-Streifen
- Frühlingszwiebeln fein geschnitten
- Kimchi nach Bedarf
- Sesamsamen, geröstet
Bibim-guksu-Sauce
- 2 Esslöffel dunkle Sojasauce
- 1 Esslöffel helle Sojasauce
- 1 Esslöffel Fischsauce
- 1.5 Esslöffel Gochujang (koreanische Chilipaste)
- 3 Esslöffel Gochugaru (koreanisches Chilipulver)
- 2 Esslöffel Maissirup
- 2 Esslöffel geröstetes Sesamöl
- 1 Esslöffel Reisessig
- 1.5 Esslöffel Knoblauch fein gehackt
- 0.5 Zwiebel fein gehackt
- Lauchzwiebel in feine Ringe geschnitten, nach Bedarf
Nudeln kochen
- 2 L Wasser
- 1 Esslöffel Salz
Anweisungen
Bibim-guksu-Sauce
- Alle Zutaten für die Sauce in einer Schüssel verrühren.2 Esslöffel dunkle Sojasauce, 1 Esslöffel helle Sojasauce, 1 Esslöffel Fischsauce, 1.5 Esslöffel Gochujang (koreanische Chilipaste), 3 Esslöffel Gochugaru (koreanisches Chilipulver), 2 Esslöffel Maissirup, 2 Esslöffel geröstetes Sesamöl, 1 Esslöffel Reisessig, 1.5 Esslöffel Knoblauch, 0.5 Zwiebel, Lauchzwiebel
- Die Sauce mindestens 5 Minuten kalt stellen – am besten, während die Nudeln garen.
Nudeln kochen
- In einem großen Topf 2 L Wasser mit 1 EL Salz zum Kochen bringen.2 L Wasser, 1 Esslöffel Salz
- Die Nudeln zugeben und 2,5 Minuten kochen; schäumt das Wasser stark, eine Tasse kaltes Wasser zugießen. Die Garzeit unbedingt einhalten, damit die Nudeln al dente bleiben.200 g Somyeon-Nudeln
- Die Nudeln abgießen und unter fließend kaltem Wasser gründlich durchspülen, bis sämtliche Stärke entfernt ist und sie vollständig abgekühlt sind.
Bibim-guksu anrichten
- Die gut abgetropften Nudeln in eine große Schüssel geben und mit der Sauce übergießen.
- Alles sorgfältig mischen, bis jede Nudel rundum mit Sauce überzogen ist.
- Auf Schüsseln verteilen, mit Ei, Frühlingszwiebeln und Gurke garnieren und zum Schluss mit Sesamsamen bestreuen.1 Ei, Frühlingszwiebeln, Gurke, Sesamsamen, geröstet
Notizen
Nährwerte
Quellen
• Bibim guksu – Enzyklopädie der koreanischen Kultur (koreanisch)
• Geschichte der koreanischen Küche: Bibim guksu – Daehan Gupsik Sinmun (koreanisch)
• Bibim guksu! Mein Lieblingsgericht für den Sommer 🙂 – Reddit (englisch)
• Bibim guksu (scharfe kalte Nudeln) – Korean Bapsang (englisch)
• [Why] Aus derselben Wurzel inzwischen fremd … Duell der Bibim-guksu-Titanen – Chosun Ilbo (koreanisch)
• Ganjang bibim guksu: kalte Sommernudeln mit Sojasauce – Reddit (englisch)
• Scharfe Nudeln mit Erdnussbutter und Kimchi – Food52 (englisch)
• Bibim guksu mit Sojasauce – Aeri’s Kitchen (englisch)
• Koreanische Nudeln – Wikipedia (englisch)
• Erstes Mal: Bibim guksu – Reddit (englisch)