Eine köstliche koreanische Messerschnitt-Nudelsuppe in aromatischer Sardellenbrühe, dazu vielfältige Beilagen und eine pikante Sauce.
Das Erste, was auffällt, ist der Dunst. Ein Schleier aus nach Nudeln duftendem Dampf beschlägt die Glasvitrine, während Sommerregen auf die Markise prasselt. Die Gäste beugen sich über Schüsseln, die wie kleine Geysire brodeln. Sie praktizieren iyeol chiyeol – die koreanische Maxime, drückende Hitze mit noch heißer Nahrung zu vertreiben.
In diesen Schüsseln wartet Kalguksu: messergeschnittene Nudeln, so zart, dass sie sich kräuseln, gebadet in einer Brühe, die an langsam geschmortes Huhn erinnert. So schlicht sie auch aussehen mag – diese Suppe destilliert Jahrhunderte an Können und Trost. Jeder Schluck erzählt davon, wie Korea aus Mangel, Erfindungsgeist und etwas Mehl eine essbare Zuflucht schuf.
Von der royalen Delikatesse zum unverzichtbaren Regenwetter-Gericht
Während der Goryeo- und frühen Joseon-Zeit war Weizen so kostbar, dass er in königlichen Speichern eingeschlossen wurde. Nudeln kamen daher nur bei großen Festen auf den Tisch: Hochzeiten, Erntebanketten oder beim dol, dem ersten Geburtstag, bei dem ihre langen Stränge für ein langes Leben stehen.
In ihrem Klassiker von 1670, Eumsik Dimibang, notiert Dame Jang Gye-hyang bereits ein Rezept für messergeschnittene Buchweizen-Weizen-Nudeln – der bislang älteste schriftliche Beleg für die Technik, aus der später Kalguksu hervorging. Jahrhunderte lang blieb das Gericht elitär; seine fast durchscheinenden Nudeln galten als Bühne für die Messerfertigkeit des Kochs.
Der Koreakrieg stellte diese Ordnung auf den Kopf. Amerikanische Hilfsschiffe entluden Säcke voller Weißmehl in den Häfen; plötzlich konnte ein einst der Oberschicht vorbehaltenes Nahrungsmittel Flüchtlinge und Arbeiter sättigen. Straßenhändler rüsteten sich mit tragbaren Kesseln aus, und in den 1960er-Jahren eröffnete Myeongdong Kyoja in Seoul – berühmt für seine Hühnerbrühe, der, heißt es, ein Hauch Schwein Tiefe verleiht – und lockt bis heute lange Schlangen an.
Was in eine authentische Schüssel gehört: Nudeln, Brühe, Beilagen
Nudeln. Echte Kalguksu-Nudeln kommen nie aus der Fabrik. Eine Handvoll Teig wird dünn ausgerollt, gefaltet und anschließend in 3–5 mm breite Streifen geschnitten. Die leicht ausgefransten Ränder verleihen den Nudeln jenen elastischen Biss, den Trockennudeln nie erreichen.
Brühe. Hier scheiden sich die Geister. Küstenhaushalte lassen getrocknete Sardellen und Seetang (Kombu) 20–30 Minuten leise ziehen, schöpfen den Schaum ab und entfernen den Seetang früh, damit die Brühe klar bleibt. Im Landesinneren köchelt man dagegen ein ganzes Huhn ein bis zwei Stunden; das freigesetzte Kollagen ummantelt später die Nudeln. In beiden Fällen würzt man sparsam: etwas Salz, ein Hauch guk-ganjang – damit die feine Süße des Mehls zur Geltung kommt.
Beilagen. Halbmonde aus Zucchini und kleine Kartoffelwürfel schwimmen von Anfang an in der Brühe und verdicken sie sanft mit ihrer Stärke. In der Meeresvariante kommen Venusmuscheln dazu, die sich wie salzige Konfetti öffnen; feine Hühnerbruststreifen zieren das dak-Kalguksu. Einzig zugelassenes Rot ist das Kimchi, das separat serviert wird – sein kühler Crunch erfrischt den Gaumen zwischen zwei Schlucken. Beliebte, wenn auch optionale Extras: gemahlene Perillasamen für nussige Tiefe, Algenflocken für einen Hauch Meer, …
Regionale Kalguksu-Varianten
Fährt man rund 230 Kilometer südöstlich, gelangt man nach Andong, wo sich einst die aristokratischen Yangban mit Andong-guksi erfrischten. Die mit Sojamehl verfeinerten Nudeln werden hauchdünn ausgerollt, gekocht und anschließend in kaltem Wasser abgeschreckt – eine glasklare Sommerschale. Eine Prise Algen und hauchdünne Eigelbstreifen sorgen für höfischen Flair.
Richtet man den Kompass westwärts nach Chungcheong, übernimmt das Huhn die Hauptrolle. Die dortige leichte Brühe, gelegentlich durch Muscheln oder Austern vertieft, inspirierte die berühmten Schalen von Myeong-dong – ein Beleg dafür, wie oft urbane Klassiker ihre Wurzeln auf dem Land haben. Weiter nördlich, im Berg-und-Meer-Mosaik von Gangwon, serviert man Jang-Kalguksu, bei dem Gochujang oder herzhaftes Doenjang mit einer Sardellenbrühe verschmilzt: eine scharlachrote Suppe, die man gern mit einem Schluck eiskaltem Rettichwasser-Kimchi begleitet.
Mit dem Winter in Jeolla hält Pat-Kalguksu Einzug: Weizennudeln, die in samtigem Rotbohnenpüree treiben – irgendwo zwischen Hauptgericht und heißem Dessert. Noch weiter südlich verbindet das windumtoste Jeju Buchweizennudeln mit Fasanenbrühe; eine Schale, die nach Basalt und offenen Feldern schmeckt – ein Beweis, dass Terroir sich auch löffeln lässt.
Woran erkennt man ein echtes Kalguksu?
Authentisches Kalguksu flüstert – es brüllt nicht. Überfällt Sie die Brühe mit Salz oder duftet nach Instantwürze, gehen Sie besser weiter. Meiden Sie Industrienudeln: Sie quellen auf, werden schleimig – genau wie eine Brühe, die so dick ist, dass sie am Löffel klebt.
Spielraum für Innovation gibt es: eine kimchibeduftete Brühe, die prickelt, oder bewusst cremige Abwandlungen – solange klar ersichtlich ist, dass es sich um moderne Interpretationen handelt, nicht um das Original. Selbst wenn Köche Weizen durch Quinoamehl ersetzen oder die Brühe mit Trüffelöl parfümieren, halten die Besten am Kern von Kalguksu fest: handgemachte Nudeln, ehrliche Brühe, harmonisches Gleichgewicht.
Kalguksu – Koreanische Messernudelsuppe
Kochutensilien
Zutaten
Messernudelteig
- 120 g Weizenmehl (Type 405)
- 60 ml Wasser
- 0.25 Teelöffel Salz
Sardellenbrühe
- 1 l Wasser
- 7 getrocknete Sardellen
- 1 Esslöffel kleine getrocknete Garnelen optional
- 1 Stück(e) Kombu ca. 5 × 7,5 cm
- 0.5 Teelöffel Salz
- 1 Teelöffel Guk-Ganjang koreanische Suppen-Sojasauce
Zutaten für die Suppe
- 100 g Zucchini oder koreanischer Hobak-Kürbis in feine Julienne
- 0.25 gelbe Zwiebel
- 100 g Kartoffeln in feine Julienne
- 1 Frühlingszwiebeln
Rindfleisch-Garnitur
- 85 g Rinderhackfleisch
- 1.5 Teelöffel Mirin
- 1.5 Teelöffel helle Sojasauce
- 0.5 Teelöffel Knoblauch gehackt
Yangnyeom-Ganjang (grüne Chilisauce)
- 1 Esslöffel helle Sojasauce
- 1.5 Teelöffel Gochugaru (koreanisches Chilipulver)
- 2 Teelöffel grüne Chilischote gehackt
- 1 Teelöffel Reisessig
- 1 Esslöffel Frühlingszwiebeln gehackt
- 0.5 Teelöffel Sesamöl
- 1 Teelöffel Knoblauch gehackt
- 1 Prise Zucker
- 1 Prise Pfeffer
Weitere Garnituren
- Frühlingszwiebeln gehackt
- grüne Chilis in feine Scheiben geschnitten
- Knoblauch fein gehackt
Anweisungen
Nudeln zubereiten (überspringen, falls Fertignudeln verwendet werden)
- Mehl, Salz und Wasser in einer Schüssel mit einem Spatel vermengen, dann mit den Händen zu einer Kugel formen.120 g Weizenmehl (Type 405), 60 ml Wasser, 0.25 Teelöffel Salz
- Nach und nach bei Bedarf wenig Wasser zugeben, bis ein geschmeidiger Teig entsteht – nicht zu viel verwenden.
- Sobald sich der Teig verbunden hat, auf eine bemehlte Arbeitsfläche legen und etwa zehnmal kneten, bis er glatt ist.
- Den Teig mit Frischhaltefolie abdecken oder in einen Plastikbeutel geben und mindestens 30 Minuten, besser über Nacht im Kühlschrank, ruhen lassen.
- Den Teig herausnehmen, 2 Minuten durchkneten und auf einer bemehlten Fläche dünn ausrollen – entweder zu einem ca. 25 × 25 cm großen Quadrat oder zu einem 20 × 28 cm großen Rechteck.
- Die Oberfläche leicht bemehlen, den Teig 4–5-mal locker übereinanderschlagen und anschließend mit einem scharfen Messer in Streifen schneiden.
- Die Streifen sofort auseinanderziehen, leicht bemehlen und bis zum Kochen offen liegen lassen, damit sie nicht verkleben.
Rindfleisch-Garnitur
- Rinderhackfleisch mit Sojasauce, Mirin und Knoblauch marinieren.85 g Rinderhackfleisch, 1.5 Teelöffel helle Sojasauce, 1.5 Teelöffel Mirin, 0.5 Teelöffel Knoblauch
- Eine beschichtete Pfanne auf mittelhohe Hitze erhitzen und das Fleisch hineingeben. Unter Zerkleinern der Klumpen krümelig braten, bis es vollständig gegart ist.
- Zum späteren Garnieren der Suppe beiseitestellen.
Scharfe Sauce (Dadaegi)
- Frühlingszwiebeln (die Hälfte für die spätere Garnitur beiseitelegen), gehackte Chilis und Sesamöl in einer Schüssel vermengen.1 Esslöffel Frühlingszwiebeln, 2 Teelöffel grüne Chilischote, 0.5 Teelöffel Sesamöl
- Anschließend Sojasauce, Essig, Chilipulver, Zucker, Knoblauch und Pfeffer einrühren und beiseitestellen.1 Esslöffel helle Sojasauce, 1 Teelöffel Reisessig, 1.5 Teelöffel Gochugaru (koreanisches Chilipulver), 1 Prise Zucker, 1 Teelöffel Knoblauch, 1 Prise Pfeffer
Zubereitung der Kalguksu-Suppe
- Bei selbst gemachten Nudeln diese jetzt vorbereiten und ruhen lassen.
- Wasser, getrocknete Sardellen, Kombu und nach Wunsch die getrockneten Garnelen in einen Topf geben.1 l Wasser, 7 getrocknete Sardellen, 1 Stück(e) Kombu, 1 Esslöffel kleine getrocknete Garnelen
- Offen 30 Minuten sanft köcheln lassen, anschließend die Hitze abstellen und die Brühe ziehen lassen.
- Zwiebel, Zucchini und nach Wunsch die Kartoffeln in feine Julienne schneiden.0.25 gelbe Zwiebel, 100 g Zucchini oder koreanischer Hobak-Kürbis, 100 g Kartoffeln
- Frühlingszwiebeln, Knoblauch und grüne Chilis hacken.1 Frühlingszwiebeln, Frühlingszwiebeln, grüne Chilis, Knoblauch
- Sardellen und Kombu aus der Brühe herausnehmen.
- Die Brühe erneut zum Kochen bringen, mit Suppen-Sojasauce und Salz abschmecken und bei Bedarf nachwürzen.1 Teelöffel Guk-Ganjang, 0.5 Teelöffel Salz
- Sobald die Brühe kocht, die Zwiebelstreifen einlegen und etwa 5 Minuten köcheln lassen, bis sie glasig sind.
- Hitze auf mittelhoch stellen, Zucchini sowie Nudeln hinzufügen.
- Knoblauch und Frühlingszwiebeln jetzt oder erst als Garnitur kurz vor dem Servieren zugeben.
- Frische Nudeln 3–5 Minuten garen; bei Fertignudeln den Packungsangaben folgen.
- Suppe samt Nudeln in Schalen füllen und die scharfe Sauce separat dazureichen.
- Nach Geschmack mit dem angebratenen Rindfleisch, frischen Frühlingszwiebeln, Knoblauch und grünen Chilis garnieren.
Notizen
Nährwerte
Quellen & weiterführende Lektüre
- Kalguksu Recipe – MasterClass (2025) : ausführliches Tutorial zur „knife-cut“-Nudelsuppe
- World Food – « Kalguksu » (Slow Food) : Geschichte, Terroir und Slow-Food-Aspekte
- « 한의학이 말하는 여름철 칼국수의 매력 » – Naeway News : Nutzen aus Sicht der traditionellen koreanischen Medizin
- 서울사랑 (städtisches Magazin) : Adressen und Rituale rund um Kalguksu in Seoul
- 박정배의 한식의 탄생 – « 칼로 숭덩숭덩… 투박한 여름나기 국수 » (Chosun Ilbo, 2017)
- Wikipedia (ko) – « 칼국수 » : Definition, regionale Spielarten und Etymologie
- Kimchimari – « Kalguksu (Korean Knife-Cut Noodle Soup) » : Schritt-für-Schritt-Hausrezept und Tipps für handgemachte Nudeln
- « 안동 맛의 정수 ‘안동국시’를 아시나요 » – NewsPim (2022) : Fokus auf die regionale Variante aus Andong (Andong-guksi)
- IMBC ‘스마트 리빙’ (2016) – TV-Reportage über regionale Kalguksu-Stile
- Reddit-Diskussionen (2019–2024) : Tipps, Erfahrungsberichte und Authentizitäts-Debatten : r/AsianEats · r/KoreanFood 1 · r/KoreanFood 2
- 면사랑 NoodleLovers – Frischnudel-Set für Kalguksu
- 만개의레시피 – « 된장 쑥칼국수 » : kräftige Variante mit Doenjang und Beifuß (Ssuk)