Köstliche georgische Teigtaschen, gefüllt mit fein gehacktem Lammfleisch und duftendem Thymian
Der erste Bissen ist reiner Dampf und pure Überraschung. Sie greifen die Teigtasche am gefalteten Knoten, beißen behutsam seitlich hinein und – pssst! – wie bei einem xiao long bao schießt siedend heißer Saft über Ihre Zunge, tropft bis zum Kinn und beschlägt die Brille, falls Sie sich zu weit nach vorn lehnen. Eine Berggroßmutter würde nur kichern: »Läuft dir nichts übers Kinn, isst du Khinkali falsch.«
Was einst als pragmatische Hirtenmahlzeit im Hohen Kaukasus begann, ist heute ein Nationalsymbol georgischer Gastfreundschaft – unverzichtbar bei jedem biergetränkten Gelage in Tiflis und weit darüber hinaus.
Geboren im Hohen Kaukasus – Legenden & Geschichte
Die Teigtasche, die den Frost vertrieb
Khinkali taucht früh in der georgischen Literatur auf: Ein Wörterbuch aus dem frühen 18. Jahrhundert, zusammengestellt von Sulkhan-Saba Orbeliani, erwähnt eine „dumi’s shashkha“, eine mit Brühe gefüllte Teigkugel, die als Vorläufer gilt. Prinzessin Barbare Dschordschadses Kochbuch von 1874 legte dann die Schreibweise fest, die wir heute verwenden. Die mündliche Überlieferung reicht freilich noch viel weiter zurück.
Eine tuschetische Legende schreibt die Erfindung Khinda zu, der findigen Ehefrau eines khevisberi (Dorfältesten). Um einen unverhofften Gast zu ehren, verwandelte sie Mehl und Schaffleisch in kleine Teigkugeln. Eine andere Erzählung verknüpft die 28 Falten eines „perfekten“ Khinkali mit dem 28-jährigen Sonnenzyklus – ein Augenzwinkern an die vorchristlichen Sonnenkulte des Kaukasus.
Die wahre Geschichte ist weniger poetisch, aber ebenso lebendig: Hirten aus Tuschetien, Pschavi und Chewsuretien brauchten ein Abendessen, das in der Satteltasche mitreisen, im gusseisernen Kessel garen und erfrorene Finger wärmen konnte.
Rohes Fleisch, Zwiebeln und alpine Kräuter wanderten in den Teig; kochendes Schmelzwasser erledigte den Rest und band Fett und Kollagen in einer kräftigenden Brühe. Als Händler aus den Ebenen das Gericht im 19. Jahrhundert übernahmen, hatte Khinkali seine karge Wiege zwar verlassen, den Duft von Lagerfeuern und endlosen Wintern jedoch behalten.
Anatomie der Authentizität – Teig, Füllung, Falten
Das georgische Pendant zur selbstgemachten Gyoza-Hülle ist bewusst robust: ausschließlich Mehl, Wasser und Salz, geknetet, bis der Teig sich anfühlt wie der Unterarm eines Ringers. Manche Großmütter schlagen für etwas mehr Standfestigkeit ein einziges Ei hinein – streng optional, keineswegs kanonisch.
Rollen Sie die Teigkreise so aus, dass die Mitte etwa zwei bis drei Millimeter dick bleibt. Die Ränder hingegen sollten sich so weit dehnen, bis sie pergamentdünn sind – Ihre Versicherung gegen Risse, sobald der heiße Saft im Inneren Druck macht.
Die authentische Bergfüllung setzt auf Lamm- oder Schaffleisch; je nach Tal mischt sich ein wenig Rind darunter. Grob gehackte Schulter, Zwiebeln, Salz, frisch zerstoßener schwarzer Pfeffer und ein Hauch Kondari (Bohnenkraut, gelegentlich wilder Thymian) ergeben die Mischung.
Eine Kelle lauwarmes Wasser lockert die Masse beinahe zur Suppe; genau dieser Sud wird später zum begehrten Schluck. Falten Sie mindestens 18 Lagen ein und drehen Sie sie fest zusammen, um den kudi – den kräftigen „Henkel“, an dem Sie die Khinkali halten – zu formen. Jede Entscheidung – zurückhaltende Gewürze, fettreiches Fleisch, kerniger Teig – dient nur einem Zweck: den Saft einzuschließen und das Aroma zu intensivieren.
Berg-Khinkali vs. Stadt-Khinkali
Als Khinkali von den Berghängen in die Tavernen Tiflis’ hinabstieg, folgte die Füllung dem Markt: Lamm wich einer günstigeren, fetteren Mischung aus Schwein und Rind.
Köche, die kein Bohnenkraut oder wilden Thymian auftreiben konnten, griffen zu Kreuzkümmel; Petersilie und Koriander landeten in der Schüssel und begründeten den heute allgegenwärtigen kalakuri – den „urbanen Stil“. Doch selbst in neonbeleuchteten Schnellimbissen bleiben die Grundregeln bestehen: Die Füllung bleibt roh, Knoblauch ist weitgehend verpönt, grelle Soßen sind tabu. Ein feiner Schleier schwarzen Pfeffers ist die einzige akzeptable Garnitur.
Fragt man einen Georgier, woran man einen Hochstapler erkennt, kommt die Antwort prompt: vorgekochtes Fleisch, handliche Mini-Formate, grelle Gewürzmischungen oder – die schlimmste Blasphemie – Ketchup als Beilage.
Echte Khinkali – ob aus der Stadt oder vom Berg – stehen auf drei Säulen: handtellergroß, so gefaltet, dass kein Saft entweicht, und ein Aroma, das flüstert statt schreit.
Authentische Khinkali – georgische Ravioli mit Lamm
Zutaten
- 1.2 kg Lammhackfleisch idealerweise per Hand gewolft, mit 30–40 % Fettanteil für optimale Saftigkeit
- 20 g frischer Thymian fein gehackt
- 3 Zwiebeln klein, fein gehackt
- 0.5 Teelöffel Salz
Sole
- Salz so viel, dass es etwa so salzig ist wie Pasta-Kochwasser
- 200 ml lauwarmes Wasser
- 0.5 Esslöffel Chilipulver
Teig
- 1 Ei
- 1 kg Weizenmehl proteinreich, idealerweise Typ 65 bzw. mit 10–11 % Eiweiß
- 460 ml sehr heißes Wasser
- 1 Esslöffel Salz
Kochen
- 4 L Wasser kräftig gesalzen
Anweisungen
Teig
- Das Mehl mit heißem Wasser, Ei und Salz zu einem festen Teig verkneten.1 Ei, 1 kg Weizenmehl, 460 ml sehr heißes Wasser, 1 Esslöffel Salz
- Der Teig ist relativ kompakt und muss deshalb gründlich und lange geknetet werden.
- Anschließend abgedeckt mindestens 30 Minuten ruhen lassen.
Füllung
- Für die Sole zunächst das Salz im lauwarmen Wasser auflösen, dann das Chilipulver einrühren.Salz, 200 ml lauwarmes Wasser, 0.5 Esslöffel Chilipulver
- Abgedeckt bei Zimmertemperatur auf etwa 40 °C abkühlen lassen.
- Lammhack, Zwiebeln und Thymian in einer Schüssel gründlich vermischen.1.2 kg Lammhackfleisch, 20 g frischer Thymian, 3 Zwiebeln, 0.5 Teelöffel Salz
- Die Sole portionsweise unter kräftigem Rühren einarbeiten.
- Die Masse sollte so kompakt sein, dass sie auf dem Teig eine kleine Kugel behält.
Falten
- Den Teig in zwei bis drei Portionen teilen.
- Eine Portion zu einer großen Platte ausrollen und Kreise von ca. 4 cm Durchmesser ausstechen.
- Die Mitte jedes Kreises mit geschlossener Faust leicht eindrücken, anschließend nur die Ränder mit dem Nudelholz ausdünnen.
- So bleibt die Mitte etwas dicker, damit der Teig nicht reißt, während die dünnen Ränder sich leicht falten lassen und gleichmäßig garen.
- Einen Löffel Füllung in die Mitte setzen, die Ränder vorsichtig anheben und zusammendrücken, sodass ein kleines „Säckchen“ entsteht.
Kochen
- Einen großen Topf mit mindestens 4 l kräftig gesalzenem Wasser zum Kochen bringen.4 L Wasser
- Khinkali vorsichtig in das sprudelnde Wasser gleiten lassen.
- Einmal behutsam umrühren, damit sie nicht aneinanderhaften.
- Bei kräftigem Sieden 7–8 Minuten kochen, bis sie an die Oberfläche steigen.
- Den Topf nicht überladen – lieber in Chargen garen, damit die Khinkali genug Platz haben.
- Der Teig sollte durchgegart, aber noch bissfest sein; die Falten dürfen nicht matschig werden.
- Khinkali mit einer Schaumkelle herausheben.
Notizen
- Verwenden Sie Lamm mit ausreichend Fett, damit die Füllung schön saftig bleibt.
- Der Teig sollte fest sein und gründlich geknetet werden, damit er beim Kochen die Form behält.
- Den Topf nicht überfüllen, damit die Khinkali frei schwimmen und nicht zusammenkleben.